DR. MICHAEL P. SCHLAILE

Ich bin ein inter- und transdisziplinärer Wissenschaftler mit den drei folgenden, stark ineinander verwobenen Schwerpunkten:

Complexity &
Evolution
Innovation &
Transformation
Sustainability &
Responsibility

Meine Kolleginnen und Kollegen haben über die Jahre hinweg ganz unterschiedliche Beschreibungen für mich gefunden: Ich war seit Beginn meiner wissenschaftlichen Karriere im Jahr 2012 bereits „die wandelnde Bibliothek“ (Dr. Sophie Urmetzer), „der Netzwerker“ (mehrere Kolleg:innen am Lehrstuhl für Innovationsökonomik), „unser Philosoph“ (Prof. Dr. Andreas Pyka), „Mentor“ (Ezgi Ari) und „eine der besten Entdeckungen im vergangenen Jahr“ (Klaus J. Schuler).

Mein Weg in die Wissenschaft war weder klar absehbar noch besonders geradlinig. Als Kind wollte ich noch Astronaut werden, nach dem Abitur ging ich dann folgerichtig … zur Sparkasse. Angetrieben hat mich im Grunde zwar schon immer ein Wissensdurst und der Wille, Gelerntes auch anwenden und weitergeben zu können. Noch während der Zeit der letzten Finanzkrise (2008/2009) bedeutete dies für mich jedoch vorwiegend, regionale Unternehmen zu beraten und ihre Fremdwährungsrisiken abzusichern. Heute möchte ich mit meiner Forschung dazu beitragen, dass unsere Art zu wirtschaften wieder zukunftsfähig wird, anstatt die Lebensgrundlagen der Menschen auf diesem Planeten weiter zu zerstören. Diesem Thema widme ich mich in universitärer Lehre und Forschung, Vorträgen und auch Beratung (von Führungskräften und Teams).

Meine Forschungsschwerpunkte:

Auf einer übergeordneten Ebene leiten mich in meiner Forschung die schwerpunktübergreifenden Fragen:

 

    • wie lässt sich die kulturelle Evolution und Transmission von Weltbildern, Werten, Normen und Memen in komplexen Systemen erklären,

 

    • wie wirken sich diese kulturellen Evolutionsprozesse auf die Nachhaltigkeitsorientierung (insbesondere Kooperation und Gemeinwohlorientierung) von Individuen und Organisationen in komplexen Innovations(öko)systemen aus und

 

  • welche tatsächliche Einfluss- und Gestaltungsmacht haben verschiedene Akteursgruppen wie Führungskräfte, Entrepreneure, Konsumierende, oder Verwaltungen auf diese (ko)evolutionären Prozesse?

Complexity &
Evolution

Dass unsere Welt komplex, dynamisch und voller Unsicherheiten ist, stellt wohl keine neue Erkenntnis dar. Und doch ist diese Erkenntnis mehr als eine abgedroschene Floskel. Besonders die aktuell dominierenden Strömungen der Volkswirtschaftslehre neigen dazu, die Welt aus einer eher mechanischen Perspektive zu betrachten. Weil sie dadurch die Komplexität, Dynamik und fundamentale Unsicherheit nur unzureichend berücksichtigen, habe ich beschlossen, außerhalb der (neoklassischen) ökonomischen Lehren nach Antworten zu suchen und beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit verschiedenen interdisziplinären Theorien komplexer Systeme, insbesondere im Zusammenhang mit kulturellen Evolutionsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft

Wichtig: Evolution ist hier kein oberflächliches Synonym für Wandel oder gar „Fortschritt“. Mit dem Begriff der Evolution beziehe ich mich auf eine Perspektive auf Wandel, die Analogien und Gemeinsamkeiten zwischen Evolutionsprozessen in Biologie, Kultur und Wirtschaft ernst nimmt. Eine Forschungsrichtung, auf die ich mich hier besonders beziehe, nennt sich Memetik. Die memetische Theorie geht in Anlehnung an die Genetik davon aus, dass kulturelle Informationseinheiten, sogenannte Meme, ähnlichen Variations-, Selektions‑, und Retentions- bzw. Transmissionsprozessen unterliegen wie biologische Informationseinheiten, also Gene und Viren. Ein Vorteil dieser Perspektive, ist – wie ich in meinem Buch „Memetics and Evolutionary Economics“ dargelegt habe – ein wechselseitiger interdisziplinärer Erkenntnisgewinn und -transfer zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Lebenswissenschaften. Auch wenn es sich dabei scheinbar um eher wissenschaftstheoretisch orientierte Forschung handelt: Angesichts der nach wie vor höchst dynamischen COVID-19 Pandemie und der damit verbundenen Komplexität und Unsicherheit von wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen wird deutlich: Ein adäquater Umgang mit Komplexität, Unsicherheit und kultureller Evolution ist nicht nur für die Wissenschaft von zentraler Bedeutung, sondern ganz besonders auch für Führungskräfte bzw. Entscheiderinnen und Entscheider und das Design von nachhaltigen Geschäftsmodellen. In letzter Konsequenz geht es mir hier auch um die Frage: wie müsste eine zukunftsfähige (Aus‑)Bildung aussehen, die Individuen, Teams und Organisationen zu einem angemessenen Umgang mit Dynamik, Komplexität und Unsicherheit befähigt?

Innovation &
Transformation

Innovationsprozesse wirken auf unterschiedlichen Ebenen unserer Wirtschaftssysteme. Man denke beispielsweise auf individueller Ebene an neue Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung durch neue Konsumartikel oder auf kollektiver Ebene an die gemeinsame Schaffung, Verbreitung und Anwendung von neuem Wissen und neuen Fähigkeiten. An diesen Innovationsprozessen wirken viele verschiedenen Akteure, Organisationen und auch Rahmenbedingungen mit – einschließlich Forschungseinrichtungen und Hochschulen, Startups, Unternehmen und die im jeweiligen Kontext geltenden politischen und kulturellen Institutionen, Normen und Regularien.

Solche Innovationssysteme (je nach Forschungszweig auch Innovationsökosysteme genannt) umfassen mitunter Branchen, Sektoren, regionale Cluster, oder auch ganze Staaten und supranationale Institutionen. Wenn wir von Innovationen sprechen, denken wir zwar häufig zunächst an neue Technologien, Produkte oder industrielle Fertigungsprozesse. Innovation ist jedoch viel mehr als das und reicht von sozialen Innovationen und institutionellen (Er-)Neuerungen bis zu Systeminnovationen, die uns Menschen voranbringen – oder eben auch nicht. Häufig spricht man dann auch von (strukturellen) Transformationen, wenn es um ökonomische Neuordnungen bzw. eine Neuausrichtung von Produktions- und Konsummustern hin zu einer neuen Wirtschaftsweise wie Bioökonomie oder Kreislaufwirtschaft geht. Auch Krisen wie Pandemien oder Kriege können Transformationen beeinflussen. Nicht zuletzt deshalb beschäftige ich mich mit der Frage, wie und durch wen diese komplexen Innovations- und Transformationsprozesse, die viele verschiedenen Stakeholder betreffen, beeinflusst oder gesteuert werden können. Es geht in diesem Forschungsschwerpunkt also je nach Flughöhe und Forschungsfrage um Design, Entrepreneurship, Management, Leadership oder Governance. Auch die komplexitäts- und evolutionstheoretischen Ansätze finden hier Einzug, denn Innovation und Transformation geschehen äußerst selten auf Knopfdruck durch geniale und erfindungsreiche Einzelpersonen. Vielmehr bringen Netzwerke und Innovations(öko)systeme diese Neuerungen hervor – über kollektive und häufig pfadabhängige Lernprozesse und koevolutionäre Beziehungen.

Sustainability &
Responsibility

Angesichts anhaltender globaler Krisen (Pandemie, Biodiversitätsverlust, Klimakrise, Verschmutzung und Übersäuerung der Ozeane, etc.) stellt sich mir als Wissenschaftler ganz klar die Frage: ja, sind wir denn noch zu retten? Anders ausgedrückt: Wie können Individuen aber auch Organisationen ihrer Verantwortung für Nachhaltigkeitstransformationen in unserem Wirtschaftssystem gerecht werden?

Diesen Themen nähere ich mich in konzeptionellen sowie empirischen Untersuchungen von Handlungsmacht und moralischen bzw. prosozialen Entscheidungen in komplexen Systemen an. Insbesondere als Querschnittsthema mit meinen beiden anderen Forschungsschwerpunkten geht es mir hier auch darum, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nicht alle Arten von Innovation automatisch wünschenswert sind – evolutionstheoretisch betrachtet sind die meisten Mutationen auch nicht unbedingt wünschenswert. Responsible Research and Innovation und die damit verbundene Erforschung der normativen Dimension von Innovations(öko)systemen wird daher aus meiner Sicht immer relevanter.